Mitarbeiter-Gesundheit managen



Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter und Führungskräfte sind wichtige Faktoren im Unternehmen. Dr. Ingo Weinreich, Vorstandsmitglied des BBGM über betriebliches Gesundheitsmanagement.  


Betriebliches Gesundheitsmanagement gilt als Erfolgsfaktor für Unternehmen. Welche Aspekte spielen eine Rolle, wenn es darum geht eine gesundheitserhaltende Arbeitsumgebung zu gestalten?
Dr. Ingo Weinreich:  Das betriebliche Gesundheitsmanagement umfasst vier Aspekte: Der erste ist der Offensichtlichste. Er bezieht sich auch die Gestaltung des Arbeitsplatzes und des direkten Arbeitsumfelds. Dazu gehören im Büro geeignete Stühle, Tische, Computer und  Beleuchtungen. Auch Temperatur und Akustik spielen eine Rolle. Natürlich zählen bei Dienstleisung, Industrie, Gesundheit und Pflege anderes Equipment zu diesem Bereich. Wir können diese Dinge als die objektive Hülle betrachten, deren Beschaffenheit im klassischen Arbeitsschutz und im Gesundheitsschutz geregelt ist.

Den zweiten Aspekt umfasst die Gestaltung von Arbeitsprozessen. Aus Sicht der Arbeitgeber wird die Frage gestellt, ob die Aufgaben in der bestehenden Form durchführbar sind  und zwar bis ins Alter von 67 Jahren. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den ablauforganisatorischen Prozessen. Denn Arbeit wird in der Regel nicht von den Bedürfnissen des Einzelnen bestimmt sondern von äußeren Faktoren. Verkürzte Arbeitszeiten bedeuten oft ultraintensive Arbeit. Wenn die Schnittstelle Mensch –Maschine funktionieren muss, bleibt dem Arbeitenden oft wenig Souveränität.  Kritisch wirken sich  schwere  körperliche Arbeit und Schichtarbeit besonders dann  aus, wenn die Beschäftigten älter werden und die körperliche Leistungs- und Regenerationsfähigkeit nachlässt.



Das sind die äußeren Umstände, die sich gut fassen lassen. Welche weiteren Faktoren sind wichtig, damit Arbeit nicht krank macht? 
Dr. Ingo Weinreich:  Ein dritter Gesichtspunkt ist die Gestaltung von Arbeitsbeziehungen. Eigentlich  jeder, der arbeitet, hat automatisch Beziehungen zu Kollegen, Vorgesetzten, Kunden oder zu Mitarbeitern, die er führt. Das betriebliche Gesundheitsmanagement befasst sich mit der Frage, wie diese Beziehungen gestaltet werden. Es sind, wenn man sich beispielsweise den öffentlichen Dienst anschaut, mitunter sehr lange Beziehungen, deren Qualität großen Einfluss  auf das Empfinden des Einzelnen hat.

Die letzte Ebene bezeichnen wir als kulturelle Ebene. In ihr fließen Aspekte der ersten drei Ebenen zusammen. Sie befasst sich mit Normen und Regeln, die im Arbeitsleben gelten und die in verschiedenen Bereichen differieren. Diese Regeln und Normen werden bewusst oder unbewusst weitergegeben. Normen in der Arbeitswelt sind abhängig vom jeweiligen Set Up der Umgebung und haben großen Einfluss auf das Empfinden der Beschäftigten. Beispielweise hat ein Call Center oder der Öffentliche Dienst eine andere Rollenerwartung an seine Mitarbeiter als eine Unternehmensberatung.  Wenn Arbeitnehmer in einem Set Up beschäftig sind, das nicht zu ihnen passt, kann es zu Aspekten der Unverträglichkeit kommen. Ziel des Betrieblichen Gesundheitsmanagements ist immer eine möglichst gute Passung zwischen dem Beschäftigten und seiner Arbeit mit all ihren Aspekten.



Wie kann ein Unternehmen zu einem Betrieblichen Gesundheitsmanagement kommen, das diesen Namen auch verdient?
Dr. Ingo Weinreich:  Als erstes müssen die gerade genannten Aspekte verstanden werden. Es muss den Entscheidern klar sein, welche Gesichtspunkte in das Management hineinspielen. Danach muss eine gründliche Selbstanalyse erfolgen. Die gesetzlichen Regelungen bilden die Grundlage für die Gestaltung der ersten beiden Aspekte.  Im § 5 des Arbeitsschutzgesetzes sind viele Regelungen festgeschrieben. Für die beiden weiteren Aspekte gibt es keine gesetzlichen Grundlagen. Hier führt der Weg über eine Selbstbeobachtung, bei der sich herauskristallisiert, was sich verändern muss. Der gründlichen Analyse müssen Planung der Maßnahmen, entsprechende Umsetzung und vor allem eine Kontrolle der Ergebnisse folgen. Wenn dies nicht erfolgt, sondern nur bestimmte,  angebotsgetriebene Events durchgeführt werden, die isoliert stattfinden, kann dies sogar einen schädlichen Effekt haben. Das Management plant einen Event, führt ihn durch und bemerkt keine positive Veränderung. Die Mitarbeiter hingegen fühlen sich nicht ausreichend ernst genommen.



Wo sind die Grenzen des betrieblichen Gesundheitsmanagements?
Dr. Ingo Weinreich:  Das betriebliche Gesundheitsmanagement  ist auf das arbeitsbezogene Bewältigungserleben von Beschäftigten begrenzt. In diesen  Aspekt fließt dann natürlich auch die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben ein. Der Wandel, der sich hier vollzieht, ist eine politische oder gesellschaftliche Frage, die außerhalb der Reichweite eines betrieblichen Gesundheitsmanagements liegt. Auch sind Unternehmen in der globalisierte Welt politischen und wirtschaftlichen Faktoren unterworfen. Es fallen Entschlüsse, die nicht beeinflusst werden können. Wenn ein Großkonzern ein Werk schließt und die Mitarbeiter auf der Straße landen, ist dies ein Umstand, den das Betriebliche Gesundheitsmanagement nicht beeinflussen kann.
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Dr. Ingo Weinreich, stellvertretender Vorstandsvorsitzender  des  BBGM

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